Tellini
Pistoia (1993)
pag. 5
WO
DIE ZEIT STEHENGEBLIEBEN IST
och
bis vor wenigen Jahren, zeichnete sich auf dem schlanken
Turm des Castello dell'Abbadia, gegen den Himmel der
Maremma, das Laubwerk einer kleinen, zerzausten und
verwachsenen Steineiche ab. So zugerichtet von den kalten
Nordwinden, die oft über die karge Ebene fegen, war das
bizarre Bäumchen ein beredtes Zeugnis für die
Vernachlässigung, die wohl schon am Tag begonnen hatte,
als das auf der linken Seite des Flusses Fiora errichtete
Kastell dem vereinigten Königreich Italiens einverleibt
wurde und damit aufhörte, als Zollstation des
Kirchenstaates zu dienen.
Heute ist die Verlassenheit und Öde nichts als eine ferne
Erinnerung. das Gebäude, auf dessen Gipfel sich die
Steineiche dem Besucher «hrbot, der angezogen von der
verschwenderischen Fülle archäologischer Zeugnisse und
landschaftlicher Schönheiten herfindet, hat heute seme
ursprngliche Vitalität zuruckerobert und wurde einem viel
nobleren Zweck als je zuvor zugeführt: es ist der Sitz des
etruskischen Museums von Vulci.
Der Besucherstrom, angezogen von dieser wichtigen
kulturellen Einrichtung (abgelegen aber zweckmäßig), nimmt
immer mehr zu, auch Dank einer neugebauten Straße, die
Manciano und Montalto di Castro miteinander verbindet und
damit dieses Gebiet aus seiner Jahrhunderte währenden
Isolation erlöst. Das legendäre Montauto, bekannt durch
das traurige Phänomen des Brigantenwesens und der großen
Jagdpartien im 19. Jahrhundert, ist von einer besonderen
Faszination, einer Einsamkeit md tiefen Stille, die sich
in Jahrtausenden verdichtet hat.
Schon beim Erreichen des Castello, wo die Fiora stumm und
unsichtbar durch ihr unterirdisches Felsbett fließt, ist
man vom Zauber dieser Hrenlandschaft eingefangen. Die
dunklen und soliden Mauern des abgelegenen,
mittelalterlichen Bauwerks, aus dem 13. Jahrhundert, fùgen
einen Hauch strenge Schlichtheit hinzu.
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